Am 25.06.2021 absolvierte ich in einer Zwölf-Stunden-Schicht von 18 Uhr bis 6 Uhr meinen letzten Abschnittsbesuch im Polizeiabschnitt 53 in Kreuzberg. Die Entscheidung für diesen Polizeiabschnitt fiel ganz bewusst, weil der Abschnitt ein großes Aufkommen an Einsatzlagen hat. Wer in diesem Abschnitt – zu dem auch der „Görli“ und der „Kotti“ gehören – über Jahren den Dienst verrichtet, erlebt eine Menge.

Vor Ort habe ich einmal mehr festgestellt, dass die Berliner Landespolitik und die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) einiges an Tempo bei den Sanierungen und dem Neubau von Dienststellen zulegen müssen. Teilweise ermöglichen die baulichen Zustände vor Ort weder motiviertes noch gutes Arbeiten. Durch das Aufschieben von Bauvorhaben und das Vertrösten über Wochen, Monate und Jahre schmilzt das Vertrauen in die Akteure in der Politik. Es geht nicht um viel. Es geht nicht um Luxus. Es geht darum, Dienststellen zu schaffen, die einem Standard im Jahr 2021 entsprechen. Und damit meine ich nicht nur die Sanitärbereiche. Natürlich ist es gut, wenn der Arbeits- und Gesundheitsschutz nun höher eingeschätzt wird, aber hierfür muss es klare Zeitpläne und konkrete Maßnahmen geben.

Nichtsdestotrotz kann ich für meine Hospitation sagen, dass im A53 sehr viele Polizeibeamt:innen engagiert ihrem Job nachgehen. Jede und jeder weiß, dass man das große Ruder der Veränderungen im Bezug auf die Kriminalität in Kreuzberg nicht mit einem Mal umlegen kann, aber die Weichen hierfür sind gestellt. Die Arbeitsbelastung im Abschnitt ist immens und es gibt Dienste, in denen bis zu 20 Aufträge auf eine Schicht entfallen. Der interne Zusammenhalt und die gegenseitige Verlässlichkeit im Einsatz sind überlebenswichtig.

meine Hospitation war durch eine durchwachsene Schicht geprägt. Ich traf zum Schichtwechsel ein. Nachdem dieser vollzogen war, wurde ich einem konkreten Funkwagen zugeteilt. Der erste Einsatz führte uns zu einem Parkplatz, auf dem ein PKW in ein parkendes Auto gefahren war. So etwas kann passieren und passiert recht häufig. Weniger häufig ist es aber, dass nach einem solchen Unfall die Polizei hinzugezogen wird. Oftmals kommt es zur Unfallflucht und die oder der Geschädigte bleibt auf dem Schaden sitzen. In diesem Fall war es anders. Der Geschädigte wurde informiert und traf bald am Unfallort ein. Es wurden die nötigen Daten aufgenommen und in diesem Fall wird wohl die Versicherung des Verursachers alles weitere regeln.

Im Verlauf des folgenden Einsatzes wurde eine Straße abgelaufen um den Drogenhandel, aber auch entsprechende Verstecke in sogenannten Bunkersystemen zu kontrollieren. Diese Maßnahmen können nur Stichproben sein, aber es ist wichtig, dass sie durchgeführt werden. Bleiben sie aus, breitet sich auch der Drogenhandel in den Kiezen schlagartig aus. Dies führt nicht nur zu einer schwindenden Lebensqualität vor Ort, sondern spitzt die gesamte Sicherheitslage zu. Aus diesem Grund wurde im Anschluss auch der Görlitzer Park durchfahren, in dem gerade eine entsprechende Brennpunkteinheit tätig war.

Deutlich vor 22 Uhr wurde der Funkwagen zu einem unzulässigen Lärm in einem Imbiss gerufen. Jeder kennt die Regelung zur nachbarschaftlichen Rücksichtnahme ab 22 Uhr, aber im vorliegenden Fall fühlte sich augenscheinlich jemand deutlich früher in seiner Nachtruhe gestört. Hier reichte ein kurzes Gespräch mit dem einsichtigen Betreiber. Oftmals lassen sich entstehende Konflikte mit der Ansprache durch die Beamt:innen lösen.

Der nächste Anruf führte die Funkwagenbesatzung zu einem wohnungslosen Mann, dem im Vorbeigehen Reizgas ins Gesicht gesprüht wurde. Die Tat wurde von einem Passanten beobachtet, woraufhin er die Polizei verständigte. Gleichzeitig wurde ein Rettungswagen (RTW) angefordert. Es ist das allerletzte, wenn sich Menschen an den Schwächsten in unserer Gesellschaft vergreifen. Dem Verletzten konnte mit Wasser geholfen werden, aber ich kann mir gut vorstellen, dass eine solche Tat tiefere Spuren hinterlässt und das ohnehin schon harte Leben auf der Straße noch schwerer macht. Nicht jeder Vorfall wird zu einer Polizeimeldung, die in den Medien aufgegriffen wird und auch nicht jeder Fall wird zur Anzeige gebracht, weswegen hier leider von eine, größeren Dunkelfeld ausgegangen werden muss

Ein wiederkehrendes Problem stellt das Parken vor Toreinfahren dar. Daraus ergeben sich zwei Probleme: Andere Verkehrsteilnehmer können das dahinterliegende Gelände nicht mehr verlassen und vor allem werden der Feuerwehr wichtige Rettungswege versperrt. Beim nächsten Einsatz wollte eine Person auf den eigenen Hof fahren, jedoch wurde die Zufahrt durch ein hochwertiges Fahrzeug blockiert. Und Abschleppen ist teuer. Hier schlägt nicht nur der Auftrag an sich zu Buche; ebenfalls bestimmen Tag und Uhrzeit die Kosten. Als der Abschleppwagen bereits bestellt war, stieß der Halter des Wagens zu den Beamten und wollte sein Fahrzeug umparken. Immerhin. Die Kosten der Abbestellung muss er hingegen trotzdem zahlen.

Im Folgenden wurden gleich mehrere Funkwagen zu einer gemeldeten Massenschlägerei in den Park am Gleisdreieck gerufen. Vor Ort war jedoch nichts zu sehen. Es geschieht recht häufig, dass sich die entsprechenden Gruppen zersprengen, wenn die Polizei hör- und sichtbar mit Sonder- und Wegerechten anrückt. Nicht immer geht es um körperliche Auseinandersetzungen, oft sind es auch unzulässiger Lärm sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch, die einen Einsatz rechtfertigen. Die gesellschaftliche Debatte um feiernde Mengen in den Parkanlagen wurde in den letzten Wochen ausgiebig geführt, aber viele Stellen und Behörden sind nicht gewillt, etwas zu tun. Am Ende muss wieder die Polizei ran. Ein Notruf führte beim nächsten Einsatz im Park zu einem eskalierten Streit eines Paares. In der Dunkelheit und bei der Größe des Parks, konnten die beiden Personen leider nicht aufgefunden werden.

Zum Schluss meiner zwölfstündigen Schicht erlebte ich noch, welche Blüten der Kampf gegen den Kapitalismus und den Staat aus dem linken Spektrum mittlerweile treibt. Einige Personen aus dem Milieu hatten etliche Motorroller von größerer Firmen umgestoßen. Dies wurde jedoch von Zeugen beobachtet und zudem war eine Einsatzhundertschaft vor Ort. Diese nahm die tatverdächtigen Personen vorläufig fest. Die lief die ganze Strecke ab und stellte die Schäden fest. Tatsächlich ist es die Ausnahme, wenn in solchen Fällen die Täter mitsamt Personalien festgestellt werden können. Hier werden die Täter jedoch sehr wahrscheinlich für den verursachten Schaden aufkommen müssen.

Zurück im Abschnitt wurden sämtliche Aufträge der Nacht in das Polizeisysteme eingepflegt. Auch das ist eine aufwendige und vor allem zeitintensive Arbeit. Für mich endete hier meine Hospitation.
Geblieben sind am Morgen danach unterschiedliche Eindrücke aus vielen Gesprächen und dem Erlebten. Im Gedächtnis bleibt vor allem die Arbeitsbelastung und die Intensität der Einsätze. Gerade in diesem Abschnittsbereich brauchen die Beamtinnen und Beamten der Polizei ein dickes Fell. Ich konnte miterleben: Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg. Oftmals können so Konflikte gelöst werden – selbst wenn dies von selbsternannten Sheriffs behindert oder von anderen Unbeteiligten gestört wird.

Die gegenseitige Unterstützung der anliegenden Polizeiabschnitte ist eine Lebensversicherung für die Einsatzkräfte vor Ort. Im Abschnittsbereich des A53 ist es sicherlich nicht unwichtig, dass es eine Rotation von Personal gibt. Eine bessere Arbeitsatmosphäre wird jedoch nur dann entstehen, wenn in die eigenen Räumlichkeiten investiert wird. Das sollte eine hohe Priorität für die BIM haben. Auch bei der technischen Ausstattung gibt es einiges zu tun. Die aktuelle Devise ist: Das Machbare möglich machen. Das darf uns aber politisch nicht zufriedenstellen. Wir dürfen in der Innenpolitik die Schwerpunktabschnitte nicht im Stich lassen. Jeder Abschnitt ist dankbar, wenn eine Einsatzhundertschaft vor Ort ist und unterstützt. Mehr noch: In Kreuzberg und Friedrichshain ist es schlichtweg notwendig. Mein Dank gilt den Polizeibeamt:innen vor Ort für ihre Zeit, gute Gespräche und den Einblicke in ihre Arbeitswelt.

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