Am 23.04.2022 hospitierte ich von 18:00 bis 05:30 Uhr erstmalig in der neuen Wahlperiode bei der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung der Polizei Berlin in der Kruppstraße. Bis zur vergangenen Wahlperiode hatte ich bereits alle 16 Einsatzhundertschaften besucht und begleitet, aber der Blick in praktische Arbeit bleibt essenziell und das Wissen um die unterschiedlichen Einsatzlagen hilft, Situationen und Abläufe, über die wir im Abgeordnetenhaus debattieren und beraten, besser zu verstehen so aktiv an Verbesserungen mitzuwirken.

Zu Beginn der Hospitation führten wir vor Ort mit der Führungsgruppe (Zugführern) ein längeres Gespräch über Probleme hinsichtlich des Zustands der Liegenschaft in der Kruppstraße. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn viele Themen, die im Koalitionsvertrag stehen und bei den Haushaltsberatungen eine Rolle spielen, müssen fortlaufend kommuniziert werden. Aktuell erleben wir dies zum Beispiel auch im Hinblick auf das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin (ASOG) sowie das Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin (VersFG BE). Der Gesetzgeber legt hier den rechtlichen Rahmen fest, die Polizei setzt diesen durch. Hierzu gibt es natürlich auch Anhörungen und Feedback im Innenausschuss, der Praxistest und die Erfahrungen zur Praktikabilität im Alltag der Beamtinnen und Beamten ist aber ein wesentlicher Bestandteil und Erfahrungspunkt für die politische Ausgestaltung. Wenn es also zu Lücken oder Hürden in der Um- und Durchsetzung kommt, müssen wir im Parlament über diese Probleme sprechen und entsprechende Änderungen (sogenannte Novellierungen) vornehmen. So wurden zum Beispiel beim Versammlungsfreiheitsgesetz Änderungspunkte deutlich, welche nun angegangen und bis Mitte nächsten Jahres umgesetzt werden sollen.

Weitere Themen unseres Gespräches zu Beginn der Hospitation war die Besetzung offener und bisher unbesetzter Stellen sowie die massiven Einsatzbelastungen im Hinblick auf die Proteste in Bezug auf die Corona-Pandemie in Berlin. Mehr und mehr finden bei den Kräften Dienstzeitverschiebungen statt, die den Einklang von Familie und Beruf zunehmend erschweren. Viele Beschäftigte wohnen nicht direkt in der City und in solchen Fällen kann es eine echte Herausforderung sein, wenn man an einem Sonntagmorgen um 02.30 Uhr in den Einsatz gerufen wird. Am Standort in Berlin-Mitte fällt zudem der Mangel an Parkmöglichkeiten ins Gewicht. Parkplätze im Umfeld der Kruppstraße sind kostenpflichtig und rar. Das Thema habe ich nach der Hospitation im Fraktionsvorstand angesprochen und hier sind aktuell die zuständigen Behörden dabei, eine angemessene Lösung zu finden. Auch bei den Beförderungen im mittleren und gehobenen Dienst geht es voran. Sobald der Doppelhaushalt 2022/23 beschlossen wurde, wird weiterbefördert.

Aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine hat sich auch in Berlin die Sicherheitslage verändert. Internationale Konflikte und Kriege wirken in der Bundeshauptstadt oftmals wie ein Brennglas und die Polizei Berlin muss darauf durch den Schutz von Personen und Objekten reagieren. Die personelle Lage beim Zentralen Objektschutz (ZOS) ist angespannt. Parallel wurde zuletzt einem privaten Sicherheitsunternehmen, welches Polizeiliegenschaften bewachte, fristlos gekündigt. Das hat zur Folge, dass nun auch der Polizeivollzug Objektschutz betreiben muss. Im Doppelhaushalt 2022/2023 sind für den ZOS mehr als 60 neue Stellen vorgesehen. Die Ausbildung dauert drei Monate, jedoch wird sich hier vor allem mittel- und langfristig etwas ändern müssen. Im nächsten Doppelhaushalt 2024/2025 muss es dort einen größeren Aufwuchs geben.

Der Krieg in der Ukraine hatte für diese Hospitation konkrete Auswirkungen. In der Zeit von 20:10 Uhr bis 0:30 Uhr war die 15. Einsatzhundertschaft (EHu.) vor der russischen Botschaft Unter den Linden tätig. Solche Einsätze unterscheiden sich stark von Lagen bei beispielsweise bei Fußballspielen oder Versammlungen, können sich unter Umständen aber eben auch schnell verändern und der Schutz beteiligter Akteure notwendig werden.

Im Anschluss an den Objektschutz war die 15. EHu. In Kreuzberg und Neukölln unterwegs und unterstützte die jeweiligen örtlichen Polizeiabschnitte. Nach den Entbehrungen, die zwei Jahre Pandemie mit sich gebracht haben und frühlingshaften Temperaturen, war deutlich zu spüren, dass es die Menschen wieder nach draußen in die Cafés, Kneipen und Clubs treibt.

Grundsätzliche Regeln unseres Miteinanders haben sich aber auch in der Pandemie nicht geändert und so ging es bei diesen Einsätzen vor allem um Ruhestörungen und unzulässigen Lärm. Die Betreiber der entsprechenden Lokale wurden angesprochen und verwarnt. In einem Fall mussten jedoch tatsächlich alle Gäste gehen. Die Kneipe wurde in dieser Nacht bereits zum zweiten Mal angesprochen – die Party ging jedoch munter weiter.

Beim nächsten Einsatz machten sich zwei Diebe an einer öffentlichen Toilette zu schaffen und versuchten sich den Münzbehälter anzueignen. Die Täter konnten jedoch auf frischer Tat ertappt und gestellt werden. Tatsächlich kommt dies wohl häufiger vor, als man annehmen könnte.

Die folgenden Alarmierungen führten die Einsatzhundertschaft zu einer Jugendgruppe, die ein Baugerüst für Kletterübungen nutzte, sowie zu einem gemeldeten Glasbruch, bei dem ein Einbruch ausgeschlossen werden sollte. Oft finden solche Einsätze unterstützend zur Arbeit der örtlichen Polizeiabschnitte statt. Gleiches gilt für Fahrzeugkontrollen. So wurde in dieser Schicht ein Fahrzeugführer kontrolliert, der am Steuer seines Wagens keinen besonders wachen Eindruck machte. Einige mögen sich schon einmal über eine solche Kontrolle geärgert haben, aber es gibt eben doch immer wieder Fahrerinnen und Fahrer, die unter Einfluss von Alkohol oder Drogen unterwegs sind und letztlich schützen diese Kontrollen nicht nur die Kontrollierten, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer sowie Radfahrer und Fußgänger.

Zum Ende der Schicht würde die Hundertschaft zu einer Messerstecherei nach Neukölln gerufen. Eine verletzte Person musste ärztlich versorgt werden. Zeitgleich erfolgte die Suche nach den Tätern. Gerade in der Nacht, bei schwierigen Lichtverhältnissen und in verwinkelten Bereichen kann dies schwieriges ein Unterfangen werden. Neben dem Schutz Unbeteiligter agiert die Polizei auch immer unter der Maßgabe der Eigensicherung. Selbst eine scheinbar überschaubare Lage kann sich schnell ändern und für alle sehr gefährlich werden.

Nach einer Meldung über beschädigte Fahrzeuge eines Autovermieters am Straßenrand an den zuständigen Polizeiabschnitt wurde die Schicht beendet.

Ich bin sehr dankbar, bei dieser Hospitation wieder neue Eindrücke gewonnen zu haben. Der Schichtdienst verlangt jedes Mal aufs Neue Respekt ab. Das ist physisch und psychisch nicht ohne und letztlich tragen auch Freunde und Familie diese Bürde mit.

Diese Hospitation möchte ich Gerd widmen. Er war ein lieber, guter und enger Freund und ehemaliger Polizist in Berlin. Am 03.03.2022 verstarb er plötzlich im Alter von nur 68 Jahren. Am Tag nach der Hospitation hätte ich ihn – wie immer – angerufen und von meinen Eindrücken erzählt. Am 21.04.2022 wurde er beigesetzt und viele Ehemalige der Polizei Berlin haben ihn auf diesem letzten Weg begleitet.

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