Am 10.07.2021 hospitierte ich bei der 32. Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin. Zu Beginn gab es ein paar Gespräche mit dem Hundertschaftsführer sowie den Führungskräften. Bei meinen Hospitationen begegnen mir wiederholt Themen, aber einige Punkte sind doch jedes Mal neu, finden für mich eine andere Betrachtungsweise bzw. runden das Gesamtbild ab. Eines dieser Themen ist zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Polizei Berlin. Bei politischen Anlässen wird dieser Aspekt stets hervorgehoben, tatsächlich findet aber vermehrt eine Aufzehrung der Freizeit statt. Dienstzeitverlagerungen sind planbar und die zusätzlichen Alarmierungen treten spontan ein. In dieser schwierigen Situation muss dennoch ein „Ausbrennen“ der Einsatzkräfte vermieden werden. Wer in seiner Freizeit permanent Informationen erhält, wann es wieder losgeht oder was sich verändert hat, dann löst dies nicht selten bereits vor Dienstbeginn ungesunden Stress aus. Und das ist nicht gesund. Gleiches gilt auch für die Einsatzlagen. Natürlich machen alle mit, wenn eine Durchsuchung durchgeführt wird. Diese endet aber eben meistens nicht nach einer Stunde, sondern geht oftmals über die eigentliche Dienstzeit hinaus. Wenn das mal geschieht, ist das in Ordnung, aber das wäre ja eine Ausnahme. Im Arbeitsalltag sind solche Ausdehnungen eher die Regel – einfach deshalb, weil die Polizei Berlin ihre Arbeit gründlich macht. Mir liegen nun aktuelle Zahlen vor, die genau dieses Problem verdeutlichen. Bei 180 unbesetzten Stellen der Bereitschaftspolizeiabteilungen 1-3 wird man das Problem nicht allein durch Neueinstellungen lösen können.

Während der Hospitation hatte ich die Möglichkeit, mir die Schießübungen der Beamtinnen und Beamten anschauen zu können. Das Training fand im Freien statt. Übung macht den Meister und darum geht es am Ende. Ohne dieses Training können Situationen im Dienst lebensgefährlich werden. Spannend war auch eine weitere Übung. Dort wurde das Vordringen in eine Wohnung mittels einer Ramme und später der Einsatz der Dienstwaffe geübt. Dabei zählen jeder Schritt und jede Aktion. Für mich waren die beiden Übungen insofern interessant, als dass im Anschluss daran eine gute Fehleranalyse durchgeführt wurde. Diese Auswertung ist ebenso wichtig, wie das geübte Vorgehen im Einsatz.

Im Anschluss daran brach die Einsatzhundertschaft in den Einsatzraum auf. Der Einsatzwagen, den ich begleiten konnte, streifte hierbei zunächst einsatzfrei. Der erste konkrete Einsatz führte zu Streitigkeiten an einem Imbiss. Dieser Einsatz löste sich jedoch schnell auf, da bereits weitere Funkwagen vor Ort waren. Danach wurden einige Parkanlagen in Berlin-Mitte bestreift. Anders als in den vergangenen Wochen, lässt sich hier festhalten, dass dieses Wochenende im Hinblick auf die Parks im Zentrum völlig störungsfrei verlief.

Der folgende kleine Imbiss wurde jäh durch einen eingehenden Notruf unterbrochen: Ein schwerer Verkehrsunfall in Mitte. Mit Sonder- und Wegerechten ging es mit dem Einsatzwagen zum Unfallort. Ein Gruppenwagen der Polizei war zufällig vor Ort, als der Unfall geschah. Vor Ort waren mehrere Fahrzeuge ineinander verkeilt, Personen kletterten aus den Wracks oder saßen am Boden. Es sammelten sich rund 100 Passanten und beobachteten das Geschehen, nicht wenige hatten ihr Handy gezückt und filmten und fotografierten die Unfallstelle.

Trotz des erschütternden Anblicks, stand die Erstversorgung der Opfer für die Einsatzkräfte an erster Stelle. Der zuständige Polizeiabschnitt war informiert, ebenso die Berliner Feuerwehr. Bei dem Unglück hatte ein Auto mehrere weitere Fahrzeuge zusammengeschoben. Zwei Insassen eines PKW wurden schwer verletzt. Auch ihr Fahrzeug wurde zusammengedrückt und kam in einer BVG-Haltestelle zum Stehen. Hätte jemand in diesem Auto auf dem Rücksitz gesessen, so hätte die Person den Unfall nicht überlebt. Der Unfallort wurde abgesperrt und die Feuerwehr kümmerte sich intensiv um die Verletzten. Einige Personen kamen unverzüglich ins Krankenhaus.

Erschüttert und wütend gemacht haben mich die Gaffer und Handyfilmer. Etliche wurden vor Ort zur Rede gestellt und waren um dumme Ausreden nicht verlegen. Ich finde das unfassbar. Menschen werden schwer verletzt und kämpfen um ihr Leben und andere filmen und fotografieren und stellen das später für Klicks ins Netz. Das ist nicht nur menschlich verabscheuungswürdig, sondern hindert zudem die Rettungskräfte oftmals bei ihrer Arbeit, bei der nicht selten Sekunden über Leben und Tod entscheiden.

Das Verkehrsunfallkommando traf wenig später ein und mit dem Abmessen und Skizzieren des Unfallortes. So lässt sich berechnen, wer wann mit welcher Geschwindigkeit fuhr und wer letztlich den Unfall verursacht hat. In diesem Fall hatte der Unfallverursacher 1,7 Promille intus. Ob es zudem zwischen den anderen Verkehrsteilnehmen ein Autorennen gab, blieb zunächst offen. Alle Beteiligten wurden vernommen. (Zur Polizeimeldung: https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2021/pressemitteilung.1105135.php) Ich hoffe sehr, dass die verletzten Personen schnell wieder gesund werden und der Unfallverursacher vollständig zur Verantwortung gezogen wird.

Der Einsatzwagen streifte weiter im Gebiet. Am Weinbergspark wurde im Vorbeifahren eine Schlägerei entdeckt. Der Wagen stoppte sofort und die Beamten stürmten heraus und konnten die gewalttätige Auseinandersetzung beenden. Leider kommen bei solchen Konflikten immer häufiger Messer zum Einsatz. In diesem Fall konnte jedoch alles und vor allem rechtzeitig geklärt werden.

Im Anschluss daran ging es noch in den James-Simon-Park. Dieser war nicht mehr so stark frequentiert, wie bei meiner anderen Hospitation kurze Zeit zuvor. Dennoch wurden die Leute angesprochen und der Park leerte sich. Hier endete dann auch meine Begleitung dieser Schicht.

Wieder einmal brachte diese Nachtschicht viele neue Eindrücke, gute Gespräche und Erkenntnisse. Vielleicht zeigt der Einsatz in dieser Nacht recht eindrücklich, mit welchen Situationen und Bilder unsere Beamtinnen und Beamten jeden Tag konfrontiert sind und wie sie diese lösen. Nichts ist planbar und doch muss stets schnell und richtig gehandelt werden. Mein Dank gilt auch hier der Einsatzhundertschaft für diese intensiven Einblicke. Passen Sie gut auf sich auf und auch weiterhin: Bleiben Sie gesund.

Entdecke mehr von Tom Schreiber (SPD)

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen