Seit 2007 bin ich fortlaufend an den Gesprächen mit Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern bei ihrem Besuch im Abgeordnetenhaus beteiligt. Seit 2013 begleite ich die Entwicklung der ehemaligen Landespolizeischule – auch mit parlamentarischen Anfragen. Im Innenausschuss wurde durch die Leitung der Polizeiakademie bemängelt, dass sich Abgeordnete nur unzureichend ein Bild vor Ort gemacht hätten. Nach Veröffentlichung der WhatsApp-Nachricht und eines anonymen Schreibens brach eine intensive und öffentliche Debatte los. Nicht zuletzt deshalb entschloss ich mich, in der Zeit vom 5. bis 9. Februar 2018 an der Polizeiakademie zu hospitieren. Mein Ziel war es, innerhalb dieser Woche die verschiedenen Bereiche kennenzulernen und mit vielen Menschen vor Ort sprechen zu können.

Am ersten Tag sprach ich mit den Autoren der Studie zur Polizeiakademie, Herrn Pieper und Herrn Fahlbusch, und konnte mich mit ihnen intensiv über ihre Analyse austauschen. Im Kern geht es in dem Prozess um die Akademisierung einer Berufsschule bzw. der zweieinhalbjährigen (bzw. für Lebensältere zweijährige) Ausbildung. Dabei zeigten sich verschiedene Problemfelder auf: So gibt es beispielsweise dienstrechtliche, nicht jedoch fachlichen Ansprechpartner. Es fehlt an klaren Strukturen und zuständigen Gremien. Derzeit existieren kaum Rückkopplungsverfahren. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis stand im Fokus. Während der Reformvorhaben gab es verschiedene Beteiligungsverfahren. Ein Kritikpunkt war und ist, dass viele Ideen aus den Arbeitsgruppen nicht in die Arbeit eingeflossen sind. Gleichzeitig wurden Lehrstunden gekürzt um mehr Zeit für die Praxis zu haben. Trotz deutlicher Erhöhung der Auszubildendenzahl, sollte dies alles parallel und mit dem gleichen Personal erfolgen.

Die Polizeiakademie selbst stellt keine Azubis ein und darf sie auch nicht aus dem Ausbildungsverhältnis entlassen. Dies findet ausschließlich durch die Serviceeinheit Personal der Polizei Berlin statt. Früher standen für die Betreuung einer Klasse drei Personen zur Verfügung: Ein/e Klassenlehrer/in und zwei Gruppenführer/innen. Heute ist es ein/e Klassenlehrer/in und ggf. ein/e Semesterbetreuer/in. Es gibt eine konkrete Aufgabenkritik für die Klassenlehrer/innen und ebenso klare Verfahren im Falle eines Fehlverhaltens. Da aber Klassenlehrer/innen ihre Klassen teilweise über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen nicht sehen (im Praxissemester sogar sechs Wochen), fehlt die direkte, individuelle Einzelbetreuung der Azubis. Das hat Auswirkungen auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten welche in der Ausbildung vermittelt werden sollen.

Neben der personellen Situation ist die bauliche Situation in der Vergangenheit klar zu bemängeln. In diesem Bereich fehlt ein Masterplan oder eine konkrete Vision. Ja, es fanden Investitionen statt, aber diese waren – wie der Neubau einer Turnhalle oder die Fertigstellung des Haus 27 – nur punktuell.

Im weiteren Verlauf meiner Hospitation konnte ich mir verschiedene Unterrichtssituationen anschauen. Darunter waren das Fach Eingriffsrecht, das Schwimmen und Retten, politische Bildung, Kriminalistik, Deutsch und das Verhaltenstraining. Am Morgen findet vor dem Unterricht eine Stärkemeldung im Klassenraum statt. Die Azubis erheben sich und der Soll- und Ist-Stand werden an die Tafel geschrieben. Leider ist der Klassenraum auch der Aufenthaltsraum. Das bedeutet, dass sich die Schülerinnen und Schüler an manchen Tagen von 07:30 Uhr bis 15:00 Uhr in diesem Raum aufhalten.
Die Fachlehrer/innen bringen ihre verschiedenen praktischen Erfahrungen aus ihrem persönlichen Arbeitsalltag mit und bauen diese in den Unterricht ein. Erfolg und Misserfolg gehören auch zur Ausbildung dazu. Dennoch ist es fraglich, warum bei der Einstellung nicht genauer hingeschaut wird. Diese Frage stellt sich beispielsweise im Hinblick darauf, ob die Azubis schwimmen können. Kritisch sehe ich ebenfalls die Tatsache, dass Prüfungen zum Teil erst zwei Semester nach Ende des jeweiligen Kurses stattfinden.

Früher wie heute wird von den Auszubildenden einiges verlangt. Die Anpassung der Strukturen an der Polizeiakademie nach über 25 Jahren ist im Prinzip richtig, jedoch muss dabei berücksichtigt werden, dass die Polizeiakademie keine gewöhnliche Berufsschule ist. Die Ausbildung findet in Uniform statt und die Polizeischülerinnen und Polizeischüler von heute werden in Zukunft Grundrechtseingriffe durchführen müssen. Der Ausfall von Unterricht und das Fehlen von Fachpersonal führen zu Ängsten unter den Azubis. Es wird schwierig, einen ausgefallenen Unterricht bei diesem eng gesteckten Ausbildungsrahmen aufzuholen.

Für mich ist in der Zeit meiner Hospitation klargeworden, dass die Fachlehrer/innen ausreichend Zeit für die Vorbereitung ihres Unterrichts brauchen. Hinzu kommt die Zeit für die Fort- und Weiterbildungen. Resignation und Frustration führen dazu, dass die Motivationslage schwindet. Teilweise wurde nie vermittelt, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist bzw. wurden negative Entwicklungen schlicht negiert.

Wir benötigen die baulichen Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung. Wir brauchen auch die Zeit für Entschleunigung und Erholung der Auszubildenden und Lehrkräfte sowie für ihre Fortbildungen. Das Stressbewältigungsseminar bietet gute Möglichkeiten um den Arbeitsalltag zu verarbeiten und neue Kraft zu schöpfen. Nur so können die Betroffenen in schwierigen Situationen richtig und angemessen reagieren. Leider fehlt hierfür derzeit die Zeit. Eigentlich müssten die rund 2.000 Lehr- und Führungskräfte regelmäßig eine Fortbildung innerhalb der Behörde erhalten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Hier muss es von einer Freiwilligkeit hin zu einer Verpflichtung kommen. Für die gesamte Strukturreform an der Polizeiakademie benötigen wir eine klare Prozessanalyse. Es muss die Möglichkeit geben, in Verfahren eingreifen zu können. Der Faktor Mensch muss im Mittelpunkt stehen und das Qualitätsmanagement und die Personalrekrutierung müssen einen höheren Stellenwert erhalten. Fähigkeiten, Fertigkeiten und Didaktik müssen herausgestellt werden. Die Polizeiakademie muss dabei eine Verwendungsstelle für den Aufstieg sein. Externe Lehrkräfte werden kaum gehalten werden können, wenn die Bezahlung schlecht ist. Der hohe Krankenstand in einigen Fachbereichen der Polizeiakademie ist ebenfalls Ausdruck dafür, dass die Belastungsgrenze erreicht ist. Konstruktive Kritik wurde in der Vergangenheit nicht begrüßt und Misstrauen hat sich auf allen Ebenen breitgemacht.

Am letzten Tag der Hospitation konnte ich mir einen Einstellungstest im Bereich des Sports anschauen. Hierbei werden grundlegende Fähigkeiten gefordert.

Die Woche an der Akademie war geprägt von unzähligen Gesprächen und Eindrücken. Allein mein persönlicher Bericht umfasst derzeit neun Seiten. Die öffentliche Debatte um die Polizeiakademie hat auch menschliche Verletzungen hervorgetragen. Die Wertschätzung der Arbeit der Lehrkräfte und auch der Auszubildenden stand dabei selten im Mittelpunkt. Eine verunglückte Kommunikation nach innen und außen erschwerte die Reform zusätzlich. Der Mangel an konkreten Investitionen in ein didaktisches Konzept fehlen und der Personalansatz ist schlicht zu gering, als dass am Ende ein Erfolg stehen könnte.

Ich glaube, dass man dieses Projekt erfolgreich voranbringen kann. Das Parlament hat jedoch in der Vergangenheit leider Desinteresse gezeigt und allein eine Anhörung in Verbindung mit einem Parlamentsantrag und das Austauschen von Führungskräften ändern noch nichts an der Situation der Polizeiakademie. Wir brauchen einen deutlichen Schnitt und einen anschließenden Neustart im Interesse der Auszubildenden, der Lehrkräfte und auch der Berliner Polizei. Time for change. Now.

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