Am 06.06.2021 hospitierte ich bei der 11. Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin. Diese hatte für diesen Tag den Auftrag erhalten, die Versammlungen rund um den AfD-Parteitag in Marzahn-Hellersdorf abzusichern und konkret den Gegenprotest polizeilich zu begleiten. Vor Ort wollte die AfD Berlin ihre Landesliste für die Wahlen 2021 aufstellen. Dies fand in einem eingezäunten Bereich in einem Zelt statt, weshalb die Veranstaltung sowohl von innen wie auch von außen durch die Polizei Berlin geschützt wurde. Der Raumschutz war für die eingesetzten Beamt:innen besonders wichtig, um zu verhindern, dass parteitagsfremde Personen die Veranstaltung stören. Dabei kann und darf die Polizei keinen Unterschied dahingehend vornehmen, von welcher politischen Seite eine solche Veranstaltung durchgeführt wird.

Der Gegenprotest war überschaubar. Hier spielte sicherlich auch die Entfernung zum Innenstadtbereich eine Rolle, aber auch die zahlreichen anderen Veranstaltungen, die an diesem Wochenende im Stadtgebiet stattfanden. Im Rahmen der Gegenkundgebung wurden mehrere Stände sowie eine Bühne für Musik- und Redebeiträge aufgebaut. Zugleich mussten die Einsatzkräfte gewährleisten, dass die anderen Teilnehmer:innen zu ihrem Parteitag gelangen konnten. Im weiteren Verlauf hatte ich die Möglichkeit, an der kurzen Lagebesprechung des Polizeiführers mit der Einsatzhundertschaften teilzunehmen. Die 11. Einsatzhundertschaft löste im weiteren Verlauf die 32. Einsatzhundertschaft ab, welche ihre Schicht beendete.

Im Kern verliefen der Parteitag sowie auch die Gegenproteste zunächst ruhig und friedlich. Wie bei Hospitationen üblich, trug ich eine Schutzweste und befand mich mit den Beamt:innen der Einsatzhundertschaft in der Nähe der Absperrgitter. Dort hielt ein Verbindungsbeamter Kontakt zum Anmelder der Gegenveranstaltung. Weitere Beamt:innen achteten darauf, dass alle Teilnehmer:innen den nach Infektionsschutzverordnung nötigen Mund-Nasen-Schutz trugen.

Im weiteren Verlauf bemerkten Teilnehmer:innen des Protests, dass ich die Arbeit der Einsatzhundertschaft als Abgeordneter begleitete. Dies wurde von einigen Teilnehmenden negativ aufgenommen und es folgten mehrere laute, abwertende Wortbeiträge gegen meine Person. Das ist nicht angenehm, jedoch im Rahmen des Mandats hinzunehmen und auch durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet. Nicht jedoch öffentliche und lautstarke persönliche Beleidigungen, welche nun im Anschluss folgten. Diese (nicht zitierfähigen) Beleidigungen stellen die Überschreitung einer Grenze dar und waren auch nicht mehr länger rechtlich abgedeckt.

Ich wurde seitens der Polizei gefragt, ob ich diese verbalen Angriffe zur Anzeige bringen möchte und habe mich entschieden dies zu tun. Durch die Beamt:innen wurden im Folgenden die betreffenden Personen auf die Seite gebeten und die Personalien festgestellt.

In diesem Zusammenhang kam es zu Widerstandshandlungen von Teilnehmer:innen der Versammlung sowie gezielte Störaktionen bei dem Versuch der Identitätsfeststellung. Dies konnte jedoch unterbunden werden, doch leider kam es hierbei auch zu Angriffen auf Polizeibeamt:innen. Dies wurde seitens der Polizei dokumentiert und wird entsprechend bearbeitet werden. Es wurde deutlich, wie komplex solche Einsatzlagen sind und auch, wie schnell Stimmungen bei solchen Veranstaltungen kippen können. Nach Feststellung der Identitäten konnten die Personen ihre Teilnahme an ihrer Versammlung fortsetzen. Die Versammlung endete frühzeitig, sodass auch die 11. Einsatzhundertschaft den Versammlungsort verlassen zurück in die Unterkunft fahren konnte.

Im weiteren Verlauf meiner Hospitation hatte ich die Gelegenheit, mich mit einigen Polizeibeamt:innen auszutauschen. Die letzten anderthalb Jahre haben für die Polizei Berlin eine immense Arbeitsbelastung mit sich gebracht und das Demonstrationsaufkommen hat – selbst bei der demo-erprobten Hauptstadtpolizei – in dieser Zeit vollkommen neue Dimensionen angenommen. Die Erholungsphasen zwischen den Diensten sind kaum gewährleistet und das kann auf Dauer nicht gutgehen. Freiphasen müssen gesichert bleiben – für die eigene Gesundheit und auch für die Vereinbarkeit von Familien und Beruf.

Ein weiterer Aspekt, über den wir sprechen konnten, betrifft die Parkraumbewirtschaftung in Berlin-Mitte. Und der gestaltete sich ganz anders, als man annehmen dürfte. Denn es verhält sich bei weitem nicht so, dass die Polizei vor dem gefürchteten „Knöllchen“ geschützt wäre. Im Gegenteil: In der Innenstadt sind Parkplätze besonders rar und gerade während Einsätzen ist das Versetzen der Mitarbeiterfahrzeugen nach Ablauf des Parkscheins zum Schichtende oft nicht rechtzeitig möglich. Hier soll es nun eine „Gnadenfrist“ der Parkraumbewirtschaftung geben und eine andere Lösung gefunden werden. Der Frust in der Mitarbeiterschaft ist natürlich groß und für mich nachvollziehbar.

Ein wichtiges Anliegen ist mir nach wie vor die sanitäre Ausstattung in den Liegenschaften der Polizei Berlin. In den Gebäuden bereiten sich Beamtinnen und Beamte auf ihre Einsätze in der Hauptstadt vor und da ist es ein untragbarer Zustand, wenn bauliche Hygienestandards nicht eingehalten und Mängel nicht behoben werden. Ich dachte, man hat aus den Fällen von Rattenbefall, Schimmel und verunreinigtem Wasser gelernt. Anscheinend ist das nicht der Fall. Daher sehe ich es als meine Pflicht an, hier wiederholt tätig zu werden. Wir sind verpflichtet, den Beamtinnen und Beamte hier einen angemessenen Standard zu bieten und keinen, der im Zweifel den Gesundheitszustand unserer Einsatzkräfte gefährdet. In Summe hat dies auch etwas mit Wertschätzung für ihre Arbeit zu tun.

Die zahlreichen Gespräche und Eindrücke helfen mir sehr, um in der politischen Debatte die richtigen und nötigen Akzente setzen zu können. Ich danke daher den Beamtinnen und Beamten sehr herzlich für das offene Gespräch, den guten Austausch und die Möglichkeit, ihnen bei ihrer wichtigen Arbeit über ihre Schulter schauen zu dürfen. Bleiben Sie gesund und motiviert.

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