Die Wertentscheidungen des Grundgesetzes sind für uns alle oberste gesetzliche Richtschnur. Mit Blick auf das beschlossene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) gilt es, insbesondere Art. 3 Grundgesetzes in der Betrachtung zu berücksichtigen.

Das Berliner Abgeordnetenhaus ist ein Verfassungsorgan. Es erfüllt im Parlamentarismus eine wesentliche Funktion. Dabei geht es nicht nur um die Gesetzgebungsfunktion, sondern auch um die Artikulations-, Wahl- und Kontrollfunktion. Wir haben eine Parlamentsmehrheit, welche durch die Regierungsfraktionen geprägt wird, den Berliner Senat und zugleich die Oppositionsfraktionen, die insbesondere ihrer Kontrollfunktion nachkommen müssen.

Gerade in Hinblick auf die Gesetzgebung nimmt das Parlament (die Legislative) eine Letztinstanz im Gesetzgebungsprozess ein. Eine wesentliche Grundlage für die Parlamentsarbeit von Regierungsfraktionen stellt der Koalitionsvertrag dar. Dieser wurde durch die jeweiligen Parteien auf ihren Parteitagen beschlossen. Dass Koalitionsverträge in der öffentlichen Wahrnehmung häufig nur zu Beginn einer Legislaturperiode eine Rolle spielen, hängt damit zusammen, dass der politische Alltag überwiegt und der Koalitionsvertrag hierbei einen politischen Rahmen für die Gesetzgebung und Initiativen einer Regierung enthält.

Seit 2006 gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Bundesebene und stellt damit die Grundlage gegen Diskriminierung dar. Es stärkt die Rechte konkret und unmittelbar betroffener Menschen.

Was bedeutet das für das beschlossenen LADG in Berlin?

Erstens: Das Grundgesetz sowie die Verfassung von Berlin setzen den klaren rechtlichen Rahmen für das Handeln in der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Land Berlin.

Zweitens: Für den Polizeialltag in Berlin ändert sich im Grundsatz nichts, weil alle Polizeieinsätze rechtssicher und gefahrenabwehrend (z.B. im Rahmen des ASOG Bln) stattfinden müssen.

Drittens: Das beschlossenen LADG schließt Lücken in anderen Bereichen für das Land Berlin, nicht aber für die Berliner Polizei. Deshalb muss man das Gesetz unbedingt in seiner Gesamtheit betrachten.

Viertens: Mehrheitlich wurde das LADG in den sozialen Netzwerken nicht ganzheitlich betrachtet und diskutiert. Auch der darin enthaltene Paragraph 7 spielte in der öffentlichen Debatte meist keine Rolle.

Fünftens: Die Aufregung und die ausgelöste Debatte ist menschlich nachvollziehbar, aber es gilt zu bedenken, dass die Informationspflicht keine Einbahnstraße ist. Diesbezüglich müssen die Innen- und Außenkommunikation auf den Prüfstand.

Zur Thematik möchte ich zudem auf folgende Veröffentlichungen verweisen: 

Abstimmungsverhalten beim LADG

Am 04.06.2020 wurde im Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Regierungsfraktionen das LADG beschlossen. Zuvor gab es im Gesetzgebungsprozess Expertenanhörungen im Rechtsausschuss. Dort konnten insbesondere die Gewerkschaften und Interessenvertretungen ihre Haltung und Meinung kundtun. Das bedeutet: Kritische Punkte konnten adressiert werden. 

Im Vorfeld fanden Beratungen innerhalb der Regierungsfraktionen statt. Dort konnten in den Facharbeitskreisen Veränderungen vorgenommen werden. Dennoch: Was im Koalitionsvertrag verankert ist, kann nicht einfach in der Legislaturperiode gekippt werden. Ob alle gesetzlichen Vorhaben am Ende beschlossen werden, obliegt auch einer politischen Dynamik und Prioritätensetzung.

Als Innenpolitiker vertrete ich den Standpunkt, dass im Grundgesetz sowie im AGG, sowie in der Verfassung von Berlin und im ASOG-Berlin ausreichend Hebel wirken, um konkret gegen existierende Diskriminierung vorzugehen und diese zu adressieren. Ich kann jedoch nicht darüber hinwegsehen, dass es einen Parteitagsbeschluss und einen Koalitionsvertrag gibt. 

Warum die Abstimmung?

Ich stimmte am Ende auch deshalb dafür, weil ich konkret in der Beratung zu diesem Gesetz und des §7 LADG, Veränderungen und meinen Blick aus der Praxis einbringen konnte. Beispielsweise bei der Beweislastregel, den Disziplinarverfahren sowie dem Statusrecht. Kurz: Ich drücke mich weder vor der politischen Verantwortung oder der Debatte. Jedoch werde ich auch nicht meine eingebrachten Veränderungsvorschläge im Hinblick auf das Gesetzt durch eine „Enthaltung“ oder ein „Nein“ nichtig machen. 

Nach meiner Auffassung haben an dieser Stelle auch teilweise die Gewerkschaften und Interessenvertretungen mit unsachlicher Kritik sowie Vorhaltungen zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Ihnen war bewusst, dass sie das Gesetz nicht würden verhindern können und glaubten, dass dieser emotionale Rückenwind für die laufenden Personalratswahlen bei der Polizei Berlin einen erheblichen Einfluss haben würde. Den politischen Schaden tragen daher leider insbesondere sie selbst. 

Ich halte es für wichtig, dass wir vor der Sommerpause 2021 im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses eine klare Bilanz ziehen. Bei dieser Manöverkritik müssen alle Aspekte – ohne wenn und aber – beleuchtet und bewertet werden. 

(Stellungnahme zum LADG als PDF zum Download)